Weißt Du, wohin genau die Millionen an Werbeausgaben, die Marken jährlich in programmatische Anzeigen investieren, fließen? Diese Frage hat sich der britische Handelsverband ISBA gestellt und für die Untersuchung seine besten Männer und Frauen auf die Klärung dieser Frage angesetzt: Über ein Jahr lang haben Datenexperten und Wirtschaftsprüfer die Marketingausgaben von 15 großen Marken verfolgt und sie schließlich auf 12 Publisher-Websites zurückgeführt. Von Ad Servern und DMPs über offene Marktplätze und Anzeigenbörsen, Authentifizierung, Verifizierung und den verschiedensten Analyseplattformen bis hin zu SSPs und schließlich bis zu den Publishern selbst.
Doch trotz aller Bemühungen konnte der Fall nicht endgültig abgeschlossen werden. Von den 267 Millionen verfolgten Impressionen konnten nur 12 Prozent, d.h. 31 Millionen, auf Protokollebene vom Advertiser bis zum Publisher objektiv zugeordnet werden. 15 Prozent der Advertiser-Ausgaben blieben völlig unbestimmt – ein „Unbekanntes Delta“.
Im Gesamtkontext scheinen 15 Prozent nur ein Bruchteil und daher irrelevant zu sein. Doch da das Konstrukt so umfassend und weitreichend ist, machen 15 Prozent einen großen Unterschied aus: Die jüngsten Zahlen der IAB-Werbeausgaben für Großbritannien zeigen, dass der Anteil von Display im Jahr 2019 rund 6,2 Milliarden Pfund (6,8 Milliarden EUR) betrug. Ungefähr 90 Prozent dieser Aktivität wurde programmatisch umgesetzt und belief sich auf 5,6 Milliarden Pfund (6,1 Milliarden EUR). 15 Prozent dieser Summe machten daher beträchtliche 837 Millionen Pfund (923 Millionen EUR) aus. Das sind 837 Millionen Pfund (923 Millionen EUR) an Werbeausgaben, die sich einfach nicht nachweisen ließen.
Während derzeit über 70 Prozent der britischen Marken programmatische Werbung nutzen, machen in Deutschland nur 48 Prozent davon Gebrauch. Diese geringe Inanspruchnahme ist vor allem auf die große Bedeutung des Verbraucherschutzes hierzulande zurückzuführen. Mit einem Investitionsvolumen von 1,7 Milliarden Euro (in 2019) in programmatische Werbung ist Deutschland zwar bei Weitem noch nicht auf dem Niveau von Großbritannien, doch ein Bericht des IAB zeigt, dass dieses in den kommenden Jahren stetig zunimmt. Für 2020 wird davon ausgegangen, dass die Ausgaben auf ca. 1,9 Milliarden Euro steigen und die Gesamtausgaben für digitale Display-Werbung ganze 82 Prozent in Deutschland ausmachen werden. Damit wird deutlich, dass auch hierzulande die Relevanz der programmatischen Werbung zunimmt und die Klärung der Frage, wohin die Investitionen der Marken fließen, notwendig ist.
Bereits im Jahr 2014 untersuchte der Handelsverband für multinationale Advertiser und nationale Advertiser-Verbände, die World Federation of Advertisers, mittels eines Wasserfall-Modells dasselbe Themenfeld und kam zu ähnlichen Ergebnissen wie der ISBA. Genauso zog auch die amerikanische Association of National Advertisers in 2017 mit ihrem treffend formulierten Forschungsbericht „Programmatic: Seeing through the financial fog“ die gleichen Schlüsse.
Etwa zur selben Zeit verhöhnte auch Marc Pritchard, CMO bei einem der weltweit größten Advertiser, Procter & Gamble, den Zustand dieser Wertschöpfungskette für digitale Werbung und bezeichnete sie als „bestenfalls undurchsichtig, schlimmstenfalls betrügerisch“. Doch trotz der Klagen und dem Gelächter in der Industrie hat sich nicht viel verändert. Die 51 Prozent der Anzeigenausgaben, die Publisher erhielten, waren zugegebenermaßen eine erhebliche Verbesserung gegenüber den Einnahmen, die die Zeitung The Guardian im Jahr 2016 erzielte. Denn diese entdeckte, dass sie nur 30 Pence (33 Cent) für jeden investierten Pfund über den programmatischen Verkauf für ihr Anzeigeninventar erhielt.
Wie Sam Tomlinson von PwC, der die ISBA-Untersuchung leitete, jedoch schon früh betonte, „ist es wichtig zu erkennen, dass diese Studie nur die wertvollsten Komponenten der programmatischen Werbung repräsentiert: die bekanntesten Advertiser, Publisher, Agenturen und Werbetechniker“. Dies schloss den so genannten „Long Tail“-Aspekt des Marktes aus, der vermutlich nur dazu gedient hätte, die Ergebnisse des Reports noch mehr zu untermauern.
Unter den gegenwärtigen Umständen ist dies jedoch ein beunruhigender Vorbehalt. Denn die meisten Advertiser auf der ganzen Welt ziehen aktuell Pausierungen von Kampagnen oder Kürzungen ihrer Ausgaben in Betracht, da die Auswirkungen des Lockdowns Unternehmen in praktisch jeder Branche verunsichern.
Zu wissen, dass 15 Prozent ihrer Werbeinvestitionen in einem „Unbekannten Delta“ verschwinden, ohne dass es Beweise für ihre Wirksamkeit oder ihren Wert gibt, scheint eine ziemlich vernünftige Entschuldigung für einen Rückzug zu sein. Besonders dann, wenn sie stattdessen Dingen wie Mitarbeiterbindung, Mietzahlungen oder einfach der Erhaltung ihrer Zahlungsfähigkeit Priorität einräumen könnten.
Aus Publisher-Sicht sind die Ergebnisse des Reports nicht weniger beunruhigend. In den letzten Monaten wurden wir Zeuge, wie große Online-Verlage wie Buzzfeed, Vice und The Economist Mitarbeiter entlassen mussten. Außerdem haben zwei weitere Einschränkungen die Situation für Publisher nicht gerade verbessert: die Ad-Tech-Steuer mit der Keyword -Blockierung von stark frequentierten Artikeln, die das Coronavirus thematisierten, sowie die allgemeinen Kürzungen bei Werbeinvestitionen.
Diese Tatsache erklärt zweifellos, warum sich Publisher in den letzten Jahren zunehmend an die Affiliate-Industrie gewandt haben, um ihre unstabilen Werbeeinnahmen zu diversifizieren und zu steigern.
Immer mehr Publisher überdenken ihre Auffassung von Affiliate Marketing als ein übermäßig einfaches und starres Online-Marketing-Tool und realisieren, dass es ihnen die Art von Transparenz und Kontrolle bietet, nach der sich sowohl Advertiser als auch Publisher sehnen. Publisher können beruhigt sein, wenn sie wissen, dass sie 100 Prozent dessen, was ein Advertiser in eine Partnerschaft mit ihnen investiert, auch erhalten.
Netzwerke wie Awin bieten beispielweise Transparenz über Zahlungseingänge und durchschnittliche EPC-Raten. Über ein Ampelsystem können Publisher sogar den Kreditstatus von Marken sehen. So wissen sie, von wem sie schnellere Bezahlungen erwarten können. Neben Tools wie diesen bieten Netzwerke wie Awin eine Vielzahl weiterer Lösungen, die zur Sichtbarkeit des Cashflows beitragen.
Auch für Advertiser bietet der Kanal viele Vorzüge: Sie behalten die uneingeschränkte Kontrolle über die Zusammenarbeit mit Affiliate-Websites und können so mit absoluter Sicherheit in den Kanal investieren. Im Fokus des Affiliate-Kanals steht das Performance-Modell, mit dem Marken die Aktivitäten, die ihre Partner für sie generieren und die Provision, mit der sie sie vergüten, kontrollieren können.
Möchtest Du das Absatzvolumen zu einer bestimmten Produktlinie verschieben, die schnell verkauft werden soll? Oder möchtest Du neue Kunden gewinnen? Soll der Bekanntheitsgrad Deiner neuen Marke bei einem jüngeren, sozial-orientierten Publikum erhöht werden? All diese Ziele können in die Gestaltung Deines Affiliate-Programmes einfließen.
Trotz der genannten, anhaltenden Probleme bei der programmatischen Werbung, mögen viele aus der Affiliate-Branche neidisch auf die britischen Investitionsgrößen in dieses Anzeigenformat sein. Die jährliche IAB-Studie zur Quantifizierung unseres Kanals hat kürzlich ergeben, dass Marken im Jahr 2019 rund 510 Millionen Pfund (562 Millionen EUR) in Affiliate Marketing in Großbritannien investiert haben. Das sind 40 Prozent weniger als die 837 Millionen Pfund (923 Millionen EUR), die im vergangenen Jahr allein im „Unbekannten Delta“ verschwunden sind.
Trotzdem: Manchmal zahlt es sich aus sein Business zunächst vollständig unter Kontrolle zu haben und dann nach und nach zu wachsen. Die Affiliate-Industrie setzt ihren Fokus zunächst darauf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Transparenz und Kontrolle, die das Affiliate Marketing derzeit bietet, beizubehalten. Und auch die Standardisierung und Optimierung von Terminologien und Metriken für Reports stehen im Vordergrund. Denn damit werden Projekte wie das Publisher Board gefördert, die einen großen Beitrag zur nachhaltigen Gestaltung und Zukunft des Kanals leisten werden.
Mit der richtigen branchenübergreifenden Zusammenarbeit, für die solche Ziele stehen, scheint das langfristige Wachstum des Affiliate-Kanals elementar zu sein.